KANBANt ihr schon?

KANBANt IHR SCHON?

Kanban ist ein Work-Management System, das dabei hilft, die Arbeitsaufgaben mit Boards und Karten zu visualisieren. Mit Work in Progress Limits hält Kanban die Anzahl der aktuell bearbeiteten Tasks in einem überschaubaren Rahmen, damit man sich nicht verzettelt. So bringt Kanban Ordnung in das Chaos an täglichen Aufgaben. Oder wenn man es in der Business-Sprech ausdrückt: Das System maximiert die Effizienz im Sinne von Workflow, es optimiert den Arbeitsfluss. So die Theorie. Aber besteht die Theorie auch in der Praxis?

 

 

Das Wort „Kanban“ bedeutet im Japanischen so viel wie visuelles Signal, Signalkarte oder Schild.

 

DIE URSPRÜNGE VON KANBAN.

Kanban wurde 1947 von Taiichi Ohno, einem Wirtschaftsingenieur bei Toyota Motor Corporation entwickelt. Es ist Teil des „Toyota Production Systems“ (TPS), das der Grundstein für die Lean-Production ist . Ziel war, den Materialfluss im Herstellungsprozess so effizient wie möglich zu gestalten, indem Engpässe und Überschüsse an Materialien vermieden werden.

Die Idee kam Taiichi Ohno im Supermarkt: „Es müsste doch möglich sein, den Materialfluss in der Produktion nach dem Supermarkt-Prinzip zu organisieren, das heißt, ein Verbraucher entnimmt aus dem Regal eine Ware bestimmter Spezifikation und Menge; die Lücke wird bemerkt und wieder aufgefüllt.“
Aus:
Günther Zäpfel: Strategisches Produktions-Management. 2. Auflage. Oldenbourg, 2000, S. 228.

 

 

Die Lösung waren Kanban-Karten als Teil jener Boxen, die alle Fertigungsteile beinhaltet haben. Das Kanban-System visualisierte vereinfacht dargestellt auf diesen speziellen Karten:

  • was zu produzieren ist (A),
  • wieviel davon zu produzieren ist (B) und
  • wann zu produzieren ist (C).

Sobald alle Teile auf der Karte verbraucht waren, wurde die Kanban-Karte in die Teilefertigung geschickt. Dort wurde dann jene Anzahl an Teilen hergestellt, die auf der Kanban-Karte angegeben waren.

Wer sich für die originalen Toyota Kanban-Karten und alle Details dazu interessiert: Hier ein Artikel von Christopher Roser, der an der Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft lehrt.

 

HEUTE IST DIESE OPTIMIERUNG ALS PULL-METHODE BEKANNT.

Teile werden erst produziert, wenn sie auch wirklich benötigt werden. So können Lagerbestände und Kosten reduziert, die Flexibilität gesteigert und die Lieferzeiten verbessert werden.

In den 2000ern adaptierte die Software-Industrie die Kanban-Methode für die Software-Entwicklung. Die Pull-Methode wurde auf die Aufgabenverteilung angewandt, um den Workflow zu optimieren. Bevor neue Aufgaben aus dem Backlog, also der Sammlung aller für das Projekt zu erledigenden Aufgaben, bearbeitet werden, müssen Aufgaben, die gerade bearbeitet werden, finalisiert sein. Was sich die Software-Branche schon lange im Zuge von agilen Methoden zu eigen gemacht hat, hält nunmehr Einzug in viele Bereiche des Arbeits- und Privatlebens.

 

Dort, wo Kanban zur Anwendung kommt, gilt das Pull-System: Neue Arbeit wird erst dann geholt (pull), sobald die laufenden Aufgaben abgeschlossen und wieder Kapazitäten verfügbar sind.

 

ZWEI ANSÄTZE ZU KANBAN.

Generell gibt es zwei Ansätze zu Kanban: die Kanban-Methode nach David J. Anderson und Personal Kanban von Jim Benson und Tonianne DeMaria Barry. Auf diese beiden Ansätze will ich im Folgenden eingehen und mit euch teilen, was ich mir davon in mein tägliches Arbeitsleben mitgenommen habe. Denn Kanban hat mir dabei geholfen, Licht ins Dunkel meines Aufgabenchaos zu bringen.

 

KANBAN-METHODE NACH DAVID J. ANDERSON.

David J. Anderson gilt als einer der Pioniere für den Einsatz von Kanban in der Wissensarbeit. Er nennt vier Grundprinzipien und sechs Kernpraktiken für die Anwendung von Kanban.

 

KANBAN HAT PRINZIPIEN.

#1 Starte mit dem, was du gerade tust. Indem man mit dem beginnt, was man gerade tut, beendet man aktuelle Arbeit, bevor etwas Neues begonnen wird. Weil keine großen Änderungen nötig sind und die Methode genau dort ansetzt, wo aktuell arbeitet wird, kann mit Kanban sehr einfach begonnen werden.

#2 Vereinbare, dass die Veränderung schrittweise erfolgt. Weiterentwicklung ist wichtig. Verbesserungen sollen vor allem durch kleine, evolutionäre Schritte erreicht werden. Große Änderungen sollten vermieden werden, da diese oft Angst und Unsicherheit auslösen und auf Widerstände stoßen.

#3 Berücksichtige bestehende Prozesse, Rollen und Verantwortlichkeiten. Und zwar so, wie sie derzeit sind. Bei der Einführung von Kanban bleiben Rollen, Prozesse und Verantwortlichkeiten unverändert. Kanban wird an diese angepasst, nicht umgekehrt.

#4 Ermutige dazu, Führung über alle Ebenen zu leben. Verbesserung funktioniert nur, wenn sich alle Personen im Unternehmen einbringen und „Acts of Leadership“ zeigen. Die Kanban-Methode wird erst funktionieren, wenn das gesamte Team gemeinsam daran arbeitet, sie zum Leben zu erwecken.

 

KANBAN-PRINZIPIEN PASSEN ZUM SYSTEMISCHEN ANSATZ.

Für mich lassen sich diese vier Grundprinzipien sehr gut mit meinem „pragmatisch“ systemischen Beratungsansatz verzahnen. Meiner Meinung nach beginnt Veränderung im Kleinen, um Großes zu schaffen. All jene Personen, die es betrifft, sollten frühzeitig involviert und informiert werden. Wichtig ist, dass diese Personen auch den Sinn der Änderung verstehen und ihnen die Angst vor dem unbekannten Neuen genommen wird. Indem bei Kanban mit dem gestartet wird, was man gerade tut und Aufgaben vielleicht zum ersten Mal in einfacher Art und Weise visualisiert werden, wird ein Umdenken in Gang gesetzt. Benutzt ein Team das erste Mal das Kanban-System, kommt es in der Regel zu einem aktiven Austausch über Arbeitsweisen und das kann zu einer besseren Zusammenarbeit im Team führen.

 

KERNPRAKTIKEN ALS HILFREICHE TIPPS.

Um die Einführung von Kanban erfolgreich zu gestalten, gibt David J. Anderson sechs Tipps in Form von Kernpraktiken.

#1 Visualisiere den Arbeitsfluss und mach auch Unsichtbares sichtbar.

#2 Begrenze die Menge an angefangener Arbeit, damit der Workflow fließen kann.

#3 Steuere den Arbeitsfluss durch das Kanban-System.

#4 Definiere die Regeln und Begriffe, damit alle auch immer vom Selben sprechen.

#5 Führe Feedbackschleifen ein, um Aufgaben und Probleme zu besprechen oder Erfahrungen auszutauschen.

#6 Verbessere die Zusammenarbeit, indem Schwachstellen im Arbeitsfluss aufgedeckt werden.

 

KANBAN-PRAKTIKEN IM ALLTAG.

Ich finde es mehr als sinnvoll, die Anzahl der Tasks, an denen man gleichzeitig arbeitet, zu limitieren. Sonst kann es leicht passieren, dass an immer mehr Aufgaben zugleich gearbeitet wird und am Ende viele Arbeitsaufgaben angefangen und keine fertig gestellt werden. Auch die einheitliche Sicht auf Begriffe und Regeln sollte aus meiner Sicht ebenfalls immer geklärt sein. Wenn ich etwa bei der Projektarbeit das Kürzel „PSP“ verwende, dann verstehen wahrscheinlich jene, die schon öfters in Projekten mitgewirkt haben, darunter einen Projektstrukturplan. Hatte eine Person allerdings bis dato weniger Einblick in Projektarbeit, kann es leicht passieren, dass diese Person unter „PSP“ die PlayStation Portable versteht. Diese macht vielleicht mehr Spaß, ist aber für die Abbildung von Projektstrukturen wahrscheinlich weniger geeignet.

 

Diese Kernpraktiken sollten meiner Meinung nach nicht nur dann gelten, wenn man die Kanban-Methode anwendet. Abläufe und Aufgaben visualisieren, Regeln und Begriffe klären oder auch Feedbackschleifen machen das Arbeitsleben um einiges leichter.

 

MIT KANBAN IN MEDIAS RES.

So viel einmal zu den Grundprinzipien und Kernpraktiken von Kanban. Als Nächstes geht es in die Praxis. Der Startpunkt hierfür ist das Kanban Board. Dieses Board wird dann mit Kanban-Karten befüllt und ein Work In Progress (WIP) Limit festgelegt.

 

KANBAN-BOARD ALS STARTPUNKT.

Ein Kanban-Board ist ein Ort, an dem der Status zu Aufgaben im Auge behalten werden kann. Zweck ist, alle Arbeitsschritte abzubilden, die eine Arbeitsaufgabe durchläuft. Das Kanban Board zeigt somit den Workflow, also den Arbeitsfluss der Aufgabe. Es beginnt, wenn Etwas noch nicht getan wurde und endet, wenn dieses Etwas abgeschlossen wurde.

Kanban-Boards können ganz einfach auf Wänden, Fenstern, Flipcharts und Whiteboards oder auch online mit digitalen Tools wie Trello oder Microsoft Planner erstellt werden. Für analoge, offline Boards spricht, dass sie schnell und einfach erstellt werden können und „always on“ sind. Online Boards hingegen bieten sich dann an, wenn das Team remote arbeitet oder alle im Team von unterschiedlichen Standorten aus zugreifen.

 

DAS EINFACHSTE BOARD KOMMT MIT DREI SPALTEN AUS.

Ein Kanban-Board besteht aus mehreren Spalten, wobei jede Spalte einen Arbeitsschritt des Workflows darstellt.

 

Startet mit dem Kanban Board so einfach wie möglich. Ihr könnt jederzeit weitere Spalten hinzufügen.

 

Das einfachste Kanban-Board hat drei Spalten:

  • Zu erledigen | To Do: Aufgaben, die noch nicht begonnen wurden.
  • In Bearbeitung | In Progress: Aufgaben, die aktiv bearbeitet werden.
  • Erledigt | Done: Aufgaben, die vollständig finalisiert wurden.

 

 

Ganz links kann eine Spalte „Eingang | Backlog“ hinzugefügt werden. Hier kommen all jene Aufgaben hinein, die noch auf Bearbeitung warten sowie Ideen etwa aus Brainstorming-Sessions mit dem Team. Es gilt wieder das Pull-System: Startpunkt für jede Aufgabe ist stets die äußerste linke Spalte. Die Aufgabe bewegt sich dann von links nach rechts durch den Arbeitsfluss bis sie erledigt wurde. Wenn es Aufgaben oder Ideen aus dem Eingang nicht in die Spalte „Zu erledigen“ schaffen, können diese in einer eignen Spalte „Verworfen“ gesammelt werden. Oder aber man nimmt diese Aufgaben oder Ideen vom Board und archiviert diese.

 

KANBAN-KARTEN BEFÜLLEN DAS BOARD.

Man kann sich Kanban-Karten als Arbeitsaufgaben oder Ideen vorstellen. Eine Kanban-Karte steht für eine Aufgabe. Für jede Arbeitsaufgabe wird eine Kanban-Karte erstellt und in der entsprechenden Spalte des Kanban-Boards platziert.

Der Arbeitsumfang der Aufgabe sollte dabei nicht zu groß sein, damit diese auch durch den Workflow fließen kann. Aber auch nicht zu klein, damit das Board nicht überladen und chaotisch wird. Als Ansatzpunkt kann man einen Arbeitsumfang pro Karte von sechs bis acht Stunden nehmen. Ich kann hier nur raten auszuprobieren, was der ideale Umfang pro Aufgabe ist.

Kanban-Karten visualisieren also Aufgaben und machen sie im Arbeitsfluss sichtbar. Sie zeigen an, wo und in welchem Status sich die Aufgabe im Arbeitsfluss befindet. 

 

ANATOMIE EINER KANBAN-KARTE.

Kanban-Karten sollten zumindest folgende Informationen beinhalten:

  • Titel: Kurze, prägnante Bezeichnung für die Aufgabe
  • Beschreibung: Informationen, worum es geht
  • Zugewiesen: Person, die für die Erledigung der Aufgabe verantwortlich ist

 

 

Zusätzlich kann ich auf meiner Karte natürlich noch weitere und für mich wichtige Informationen anführen, wie Status, Priorität, Start- und Fälligkeitsdatum, Label zur weiteren Kennzeichnung oder Checklisten. So hat das Team auf der Kanban-Karte alle wichtigen Details zu den Aufgaben auf einen Blick.

Kanban-Karten und ihre Inhalte sind nicht statisch. Die Karte wird in jedem Arbeitsschritt mit Informationen angereichert. Etwa mit Daten, die ihre Historie nachvollziehbar machen. Oder Checklisten aus denen ersichtlich wird, was es für die erfolgreiche Erledigung der Aufgabe braucht. So kann das Team wichtige Update-Informationen hinzufügen und nachlesen, während sich die Aufgabe von einer Spalte zur nächsten bewegt.

Verwendet man für digitale Tools, sind die Kanban-Karten in diesem Werkzeugen enthalten: in Trello etwa als Karte oder in Microsoft Planner als Aufgabe. Bevorzugt man die offline Version eines Kanban-Boards kann man für die Karten einfach Post-Its verwenden. Hat man einen Schritt im Workflow erledigt, kommt das Post-It einfach in die nächste rechte Spalte.

 

JEDE*R KANN KANBAN-KARTEN ERSTELLEN.

Bei der Frage "Wer kann Kanban-Karten erstellen?" kann man sich an den Kanban-Prinzipien orientieren. Man sollte alle Mitarbeiter*innen über alle Hierarchien hinweg zu „Acts of Leadership“ ermutigen. Darum sollten nicht nur Manger*innen Karten für das Team kreieren. Jede Person im Team kann eine Karte erstellen. Und es ist wichtig, dass das Team die Entscheidung treffen kann, wann welche Karte in den Arbeitsfluss gezogen wird, also wann an dieser Aufgabe aktiv gearbeitet wird.

 

PLUSPUNKTE FÜR KANBAN-KARTEN.

 

Für mich gibt es drei große Pluspunkte für Kanban-Karten:

#1. Ich habe alle Details zur Aufgabe auf einen Blick, wobei ich die Informationen beliebig erweitern kann.

#2. Sie erlauben ein einfaches Tracking, weil ich immer weiß in welchem Status die Aufgabe ist und wer die verantwortliche Person ist.

#3. Arbeitsfluss und Stolpersteine werden sichtbar, etwa wenn eine Karte nie aus der jeweiligen Spalte in Richtung „erledigt“ fließt.

 

WORK IN PROGRESS LIMITS: WENIGER IST MEHR.

Work In Progress (WIP) Limits begrenzen die Anzahl an Karten, an denen gleichzeitig gearbeitet werden kann. Die Idee dahinter ist: Wenn an weniger Aufgaben zugleich gearbeitet wird, können diese schneller erledigt werden.

 

Das ist das scheinbar Paradoxe: Mit WIP-Limits kann mehr Arbeit erledigt werden, obwohl an weniger aktiv gearbeitet wird.

 

Dies ist aber nur scheinbar paradox, denn mit derartigen Limitationen werden Tasks auch wirklich erledigt und nicht durch immer mehr neue Arbeitsaufgaben und andere Unterbrechungen aufgeschoben. Für Mitarbeiter*innen quasi die Berechtigung zum „Nein“-Sagen und fokussierten Arbeiten, wenn wieder neue oder ungeplante Anforderungen reinpurzeln. 

 

WIP-Limits sind die maximale Anzahl an Kanban-Karten, die in einer Spalte sein können. In der Spalte „Eingang“ werden unlimitiert alle Aufgaben und Ideen gesammelt. In unserem Beispiel ist das WIP-Limit für die Spalte „Zu erledigen“ vier Aufgaben. Sind nur drei in dieser Spalte vorhanden kann noch eine Aufgabe zur Erledigung hinzugefügt werden. Sobald die maximale Anzahl erreicht ist, muss zuerst eine Karte im Arbeitsfluss nach rechts wandern, bevor eine neue Aufgabe nachrückt. So kann bei “In-Bearbeitung” mit einem WIP-Limit von drei Aufgaben und bereits drei vorhandenen Karten keine weitere mehr hinzukommen.

 

WIP-Limits sind wichtig, um Engpässe im Arbeitsfluss aufzuzeigen und so den Fluss zu maximieren. Sie sind auch ein frühes Warnzeichen, wenn man sich zum Beispiel zu viele oder zu große Aufgaben auf einmal auf die Liste gesetzt hat.

 

WIP-LIMIT = ANZAHL DER PERSONEN x 2

Als Faustregel für die Anzahl an WIP-Limits kann die Anzahl der Teammitglieder genommen werden, die mit dem Board arbeiten. Das WIP-Limit ist die Teamgröße multipliziert mit dem Faktor 1,5 oder 2,0. Dieses Limit gilt dann für alle Projekte in Bearbeitung auf dem Kanban-Board.

 

 

Wenn ihr mit Teams von Expert*innen arbeitet, wie Design oder Testing und diese im Board als Spalten abgebildet habt, dann gilt hier Ähnliches: Das WIP-Limit ergibt sich aus Anzahl der Expert*innen im Team multipliziert mit dem Faktor 2,0.

Habt ihr ein physisches Board auf einem Whiteboard oder Flip Chart, könnt ihr diese WIP-Limits auch visuell darstellen. Einfach jenen Platz in der Spalte strichlieren, der nicht mehr mit Aufgaben besetzt werden darf, also beispielsweise bei einem WIP-Limit von zwei über die Anzahl an zwei Post-Its hinausgeht. Bei digitalen Tools passiert das in der Regel automatisiert und das System weist euch auf das Erreichen des WIP-Limits hin.

 

WIP-Limits und Umfang des Aufgabeninhalts sollten regelmäßig überprüft werden, ob diese auch angemessen sind oder adaptiert werden müssen. Ein Indikator dafür ist die Messgröße Lead Time.

 

LEAD TIME: ERFOLG MESSBAR MACHEN.

Bei Kanban wird Lead-Time als Messgröße verwendet. Das ist jene Zeitspanne, welche die Karte braucht, um durch den Arbeitsfluss zu fließen. Also sobald ihr entscheidet an dieser zu arbeiten bis zu dem Zeitpunkt, wenn ihr die Aufgabe erledigt habt.

 

 

Diese zwei Zeitpunkte heißen Commitment Point und Delivery Point. Commitment Point ist eben jener Zeitpunkt, an dem ihr euch darauf einigt, dass an dieser Karte angefangen werden kann zu arbeiten. Wenn die Karte aus dem „Eingang” in die “Zu erledigen“ Spalte kommt. Delivery Point bezieht sich auf das Ende des Arbeitsflusses. Wenn das Produkt oder Service in den Händen der internen oder externen Kund*innen ist oder in der Spalte „Erledigt“ angekommen ist.

 

VORTEIL VON LEAD TIME.

Kennt man die durchschnittliche Lead Time, die für eine Aufgabe benötigt wird, erleichtert das die Zeit- und Ressourcenplanung. Die Planung wird mit größerer Wahrscheinlichkeit haltbar sein, wodurch man die Erwartungen der Auftraggeber*innen an die eingesetzten Zeitressourcen erfüllen kann.

 

PERSONAL KANBAN NACH JIM BENSON.

Nach Jim Benson gibt es für Kanban nur zwei Regeln:

#1. Visualisiere die Arbeit. So hat man alles im Blick und kann auch Zusammenhänge erkennen.

#2. Limitiere die Work In Progress. So fokussiert man auf das Wesentliche, arbeitet schneller, erledigt die Aufgaben auch und vermeidet sich zu viel zuzumuten.

Für Personal Kanban Boards gelten also nur diese beiden Regeln und alles andere kann man selbst gestalten. Ein Personal Kanban ist gut geeignet für Aufgaben, an denen allein oder als ein kleines Team mit einem einfachen Workflow gearbeitet wird.

 

IN VIER SCHRITTEN ZUM PERSONAL KANBAN.

Als erstes solltet ihr euch überlegen wie euer Arbeitsfluss aussieht. Jim Benson nennt ihn Wertstrom (value stream).

Der einfachste Wertstrom besteht aus drei Spalten bzw. Schritten:

  • Bereit | Ready: Diese Arbeit wartet quasi darauf erledigt zu werden. Das sind all eure Optionen, die ihr tun könnt.
  • In Arbeit | Doing: Dort finden sich jene Aufgaben, die gerade bearbeitet werden.
  • Fertig | Done: Hier sind all jene Aufgaben, die ihr erledigt habt.

Falls ihr noch weitere Arbeitsschritte im Wertstrom braucht, könnt ihr euren Arbeitsfluss adaptieren und diese natürlich jederzeit hinzufügen.

Im zweiten Schritt befüllt ihr euer Backlog mit all euren Aufgaben. Ihr stellt euch die Frage „Was habe ich zu tun?“ und schreibt jede Aufgabe auf ein Post-It. Denkt dabei an alle Aufgaben, die euch einfallen, unabhängig von groß oder klein. Wichtig ist, dass ihr wirklich nichts unter den Tisch fallen lässt. Dann überlegt euch, welche Aufgaben ihr als erstes finalisieren wollt und gebt diese in eure Spalte „Bereit“. Ihr könnt euch für die Spalte „Bereit“ ein WIP-Limit setzen, müsst aber nicht.

Im dritten Schritt setzt ihr euch WIP-Limits für die Spalte „in Arbeit“. Dies ist für Benson wichtig, da sich unser Gehirn nach Abschlüssen sehnt. Und da kann ich ihm nur zustimmen. Benson schlägt vor mit einem willkürlichen Limit zu starten, wie etwa drei Aufgaben, und dieses Limit, wenn nötig, an eure persönlichen Kapazitäten anzupassen.

Im vierten Schritt startet man damit, die Arbeit zu ziehen – begin to pull. Also jedes Mal, wenn Kapazitäten aufgrund erledigter Aufgaben frei werden, schiebt man eine neue Aufgabe von „Bereit“ in die Spalte „in Arbeit“.

 

Für mich ist der Personal Kanban so etwas wie die abgespeckte Version der Kanban-Methode nach David J. Anderson, die man leicht und unkompliziert im privaten Umfeld oder für weniger komplexe Boards und Aufgaben anwenden kann.

 

ZWEI PULL-SYSTEME: KANBAN UND SCRUM.

Ich will noch kurz auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Kanban und Scrum eingehen. Beide Methoden kommen aus dem agilen Projektmanagement und beide sind Pull-Systeme. Aber Kanban und Scrum verwenden das Pull-System auf unterschiedliche Art und Weise.

 

Scrum Teams arbeiten in zweiwöchentlichen Sprints. Im sogenannten Sprint-Planning-Meeting werden jene Aufgaben definiert, die in diesem Sprint erledigt werden. Innerhalb eines in sich geschlossenen Sprints können keine neuen Aufgaben mehr hinzukommen. Das Pull-System passiert also am Anfang des Sprints. Gibt es am Ende des Sprints unerledigte Aufgaben, dann kommen sie wieder in das Product-Backlog, in dem alle Tasks des Projects gesammelt sind, und ein neuer Sprint beginnt.

 

Bei Kanban ist es ein kontinuierliches Pull-System, hier gibt es keine Sprints. Die Anzahl der Aufgaben wird durch die zuvor beschriebenen WIP-Limits reguliert. In diesem offenen Kanban-System kommen immer dann neue Aufgaben hinzu, wenn wieder Kapazitäten frei sind.

 

MEIN FAZIT ZU KANBAN.

Für mich persönlich hat Kanban den Praxistest bestanden – auch außerhalb der Software-Entwicklung und auch für private Projekte. Vor allem das Visualisieren aller Aufgaben und das Setzen von WIP-Limits sind – gerade, weil so einfach und unkompliziert – genial, um Tasks auch zu erledigen.

 

ICH KANBAN SCHON, WEIL ...

  • ich sofort losstarten kann.
  • das Visualisieren des Arbeitsflusses alle meine Aufgaben sichtbar macht.
  • mir WIP-Limits helfen, dass ich meine Aufgaben auch finalisiere.
  • ich durch Kanban-Karten schon beim Aufschreiben meiner Aufgabe Struktur ins System bringe.
  • die Kanban-Methode einfach funktioniert.
Elisabeth Gogg
Elisabeth Gogg ist Teamlead New Work Design bei ACP X-tech mit Spezialisierung auf Prozess-, Experience- und Organisationsdesign. Neues Arbeiten zeigt sich für sie dann, wenn Unternehmen Mitarbeiter*innen die Sicherheit von Freiheit bieten. Mit entsprechenden Strukturen, die gute Arbeitserlebnisse ermöglichen.
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